Endura Alpentraum 2015

ENDURA Alpentraum 2015 – eine (Selbst-)Erfahrung auf 258 Km

 

Wer kennt das nicht: leider beim Ötztaler keinen Startplatz erhalten. Was nun? 2015 war der Alpentraum von Sonthofen (D) über sechs Pässe durch Österreich, Italien, Schweiz und wieder Italien nach Sulden am Ortler eine willkommene Alternative. „In einem Tag mit dem Rennrad über die Alpen“ hört sich ja ambitioniert an. Und:  wie die über 6.000 Höhenmeter schaffen und das bei meinem ersten Rennen dieser Art?

Vor dem Start
 

Nun, dazu bietet das Niederbergische Land zwischen Wuppertal,  Essen, Hattingen und Bochum einige zwar nicht so lange, aber knackige Touren, die ich zur Vorbereitung wöchentlich mehrmals fuhr. Zusätzlich legte ich im Juni 2015 im Uri (Schweiz) ein Passtraining ein (Tag 1 Susten, Grimmsel, Furka Pässe sowie Tag 2 Furka, Nufenen, St. Gotthard – gleichzeitig meine ersten erradelten Alpenpässe) ein und fuhr im Juli die Original Alpentraumstrecke in zwei  Etappen. Daher wusste ich: es kann zu schaffen sein, wenn alles glatt läuft.  Im August 2015 lernte ich dann beim Sauerland Extrem die RSC Ruhr-Süd Witten Truppe kennen, fand sofort Freunde unter den Gleichgesinnten und erhielt wertvolle Tipps für das Rennen am 12. September 2015.

 

Am 11. September erreichte ich Sonthofen mit, zugegebener Weise, etwas „Prüfungsstreß“ im Bauch. Es stand ja auch mein erstes Alpenrennen bevor und dazu nicht das einfachste. Das Einrollen erledigte ich an den Hängen um Sonthofen und für den Renntag war gutes Wetter vorhergesagt. Der Sohn des Hotelwirts ist ein erfahrener, mit Siegerpokalen bestens ausgestatteter Triathlet und MTB-ler. Von ihm erhielt ich noch ein paar hilfreiche Hinweise. Am Renntag hieß es: um 5 Uhr aufstehen, alles in Ruhe noch einmal durchgehen, Klamotten packen (es geht rauf immerhin hinauf bis auf 2.700 Meter) und ab zum Start. Um 06:30 Uhr ging es los bei etwa 13 Grad und in Erwartung eines sonnigen Tages. Den ersten Pass (Oberjochpass) fuhr ich locker hoch, ließ viele Mitstreiter passieren und das im Bewusstsein: da kommt noch was…  Nun ging es zunächst über das schöne Tannheimer Tal hinunter ins Lechtal. Vor der gefürchteten Auffahrt zum Hahntennjoch eine kurze Erfrischung nehmen und dann bei bis zu 14% Steigung hinauf auf über 2.000 Meter. Es kommt nicht oft vor, dass an diesem nördlichen Alpenjoch die Sonne scheint, aber am 15.9.15 war dies der Fall. Nach der flotten Abfahrt fuhr ich in einer Gruppe bis Landeck. Wer es nicht wusste wurde 10 km hinter Landeck vom Abzweig in Richtung Fließ kalt überrascht: hier geht’s

Höhenprofil Endura Alpentraum 2015
 

schlappe 800 Höhenmeter bei fast immer um die 15% hinauf zur Piller Höhe und an diesem Knüppel  beendeten bereits die ersten Fahrer ihren persönlichen Alpentraum…  Den Blick auf das Zeitlimit für die Auffahrt zum Umbrail und Stilfser Joch in Laatsch um 15:30 Uhr gerichtet fuhr ich fix weiter. Wieder in einer Gruppe erreichte ich Nauders über die Norberts Hohe. Auch bei dieser Verpflegung genehmigte ich mir nur einen  kurzen Stopp. Dies war eine weise Entscheidung, denn am Rechenpass und Rechensee pfiff bei bestem Wetter ein starker Südwind um die 6 Bft, der den  Kitesurfern mehr  Spaß als mir machte, den er kam leider von vorne. Jetzt folgte meine stärkste Rennphase: im steifen Gegenwind fuhr ich vor der Gruppe mit Tempo Schnitt 30 Km/h und konnte das Zeitlimit in Laatsch dadurch um 20 Minuten unterbieten (dieses Limit ist übrigens nach der Erfahrung aus 2016 viel schwieriger zu unterbieten als die Ötztaler Zeitlimits). Nun folgten – mein Garmin zeigte mir bereits  190 km und 3.300 Höhenmeter an – nur noch  60 Km und schlappe 2.800 Höhenmeter. An der Auffahrt zum Umbrailpass wurde es frisch, denn der Südwind blies ab 1.800 Meter Höhe immer stärker und kälter.  Dank der guten Tipps von Bernd (dem Sohn des Wirts) hatte ich genügend Sachen zum Überziehen dabei. Am Umbrail auf 2.400 Metern kurz eine heiße Suppe einwerfen und dann ging‘s die 300 Höhenmeter hinauf zum Stilfser Joch, die Straße gesäumt vom ersten Herbstschnee. Es war ein unglaubliches Gefühl auf 2.700 Metern Höhe angekommen zu sein – aber: es war noch nicht zu Ende!

Die Startlinie in Sonthofen, nur noch  258km und gut 6000 Höhenmeter bis ins Ziel
 

Die Auffahrt zum Stilfser Joch über die Schweizer Seite und den Umbrail ist nicht so spektakulär wie die Rampe von Trafoi, weil die Kurven weiter sind. Aber dorthin folgte nun die rasante Abfahrt mit 60 bis 80 Km/h. Höchste Konzentration war gefragt, denn die 63 Serpentinen hinunter verzeihen keinen Fahrfehler und neben der Fahrbahn geht es mehrere Hundert Meter steil bergab. Ein Sturz auf dieser Strecke hätte sicherlich fatale Folgen. In Gomagoi, nach 11h 50m angekommen, hat man mit 5.500 Höhenmetern und 240 km ungefähr die Ötztaler Streckenwerte erreicht, darf zum krönenden Abschluss aber noch einmal 600 Höhenmeter bei 12 bis 16% Steigung hinauf ins 1.900 Meter hoch gelegene Sulden klettern.  Hier merkte ich dann erstmals meinen linken Oberschenkelmuskel, der mit ersten Krämpfen drohte. Durchbeißen war also angesagt. Ein unvergessliches Bild war als kurz vor Sulden die „1.000 Meter“ Fahne wehte;  ein sicheres Zeichen, dass das Ziel kurz bevor stand. Auf den letzten Metern hatte ich dann noch den Biss und Ehrgeiz zu einem kurzen Abschlußsprint…und dann, ja dann war es wirklich geschafft.

RSCler Martin im Zielbereich mit dem Finisher Trikot
 

Genau wie angekündigt: 252 Km und 6.080 Höhenmeter in knapp 13 Stunden. Atemberaubend. Mein großer Schatz Heike stand im Ziel und nahm mich in die Arme. Das Ziel war erreicht.

Momente, die man nie vergisst…

 

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